»Mit Licht zeichnen«
Fotografien von Efraim Habermann
Zu seinem 85. Geburtstag präsentiert die Kommunale Galerie Berlin bisher weniger bekannte Fotografien, kuratiert von Benjamin Ochse.
Geboren wurde Efraim Habermann am 19. Juni 1933 in Berlin. Er wuchs in der Familie des jüdischen Schuhgeschäftsbesitzers Gerhard Habermann in der Friedrichstraße in Berlin Mitte auf. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde sein Vater gezwungen, sein Geschäft aufzugeben und als Bauarbeiter zu arbeiten. Durch seine spätere Tätigkeit im »Palästinaamt«, die Vertretung der Zionistischen Weltorganisation, konnte die Familie im November 1939 nach Palästina flüchten. Die Familie war den Sprachen in Palästina nicht mächtig und so stand der Neuanfang unter keinem guten Stern. Seine Mutter Ilse starb bereits 1940 an Tuberkulose, ihr Sohn begann eine Ausbildung als Feinmechaniker und Technischer Zeichner. Nach der Staatsgründung Israels 1948 absolvierte er den Militärdienst bei der Luftwaffe als Technischer Zeichner. Sein Vater heiratete 1942 erneut, drei Jahre später bekam die Familie die Tochter Mali. Anfang der 50er Jahre kehrte seine Familie nach Berlin zurück. Die Eltern gründeten ein Schuhgeschäft in Steglitz, nur kurze Zeit später verstarb der Vater 1956 nach langer Krankheit. Efraim folgte der Familie 1957 nach Berlin. Nach einem Abstecher in die freie Wirtschaft fand er 1959 eine Anstellung als Zeichner in der Senatsbauverwaltung für Bauen und Wohnen.
Mit Hilfe einer in den 60er Jahren erworbenen Coronet Kamera reduzierte er seine dreidimensionale Umwelt auf Schwarz-Weiß-Fotopapier. Seine Bilder und Grafiken sind künstlerisch dokumentarisch. Seine exakte Linienführung und kontrastreichen Aufnahmen machen seine persönliche Handschrift unverwechselbar. Für seine Fotografien bevorzugte er das Grobkörnige des benutzten Filmmaterials. Die Kombination aus grobem Filmkorn und mattem Fotopapier lässt seine Fotos poetischer, leichter und weicher erscheinen.
Habermann besuchte den Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee. Er schuf in der Abgeschiedenheit des Friedhofs aus einem verwilderten Ort der frommen Kontemplation einen Vorraum des Jenseits im Diesseits. Dem Friedhof Weißensee näherte er sich in seinen Bildern mit einem vorsichtigen Abtasten des Geländes mit seiner Kamera. Anfangs zeigt er nur Ausschnitte und Fragmente, bis er sich den Gräbern mit ihren Inschriften nähert. Seine Bilder zeugen von einem konzentrierten Nachsinnen in einem kontemplativen Prozess. Die Neue Synagoge zeigt Habermann mit den Narben und Verletzungen der NS-Zeit und darüber hinaus, sie lassen die Erinnerungen an die finstersten Tage der deutschen Geschichte wieder bewusst werden.
Ausstellungsansicht, 2018 | © Benjamin Ochse
Brandwände gehörten zum Berliner Stadtbild der Nachkriegszeit. Es gab sie in roten, gelben oder graugelben Ziegeln – je nachdem, aus welchem Material die Steine gebrannt wurden. In einigen von ihnen kann man die Strukturen und die Architektur der anliegenden Häuser erkennen. Wie nach einer archäologischen Grabung werden zugemauerte Fenster und Rauchabzüge sichtbar. Seine Brandwände und Maueransichten sind wohldurchdachte Kompositionen, gerade, kaum verzerrt. Der Fotograf macht wie in vielen seiner Bilder die Materialität, Struktur und das Baumaterial optisch fühlbar.
Venedig, 1988 | © Efraim Habermann
Habermann wurde während seiner ersten Venedigreise 1978 von der Stadt eingenommen. Er besuchte über Jahre hinweg die Lagunenstadt und fotografierte sie mit Präzision und das richtige Tageslicht. Im Laufe der Jahre entwickelte er eine »innere Neigung« zu der Stadt, die in seinen Bildern zum Ausdruck kommt. Er zeigt ihre Schönheit an Stellen, wo ihre Vergänglichkeit durch den Verfall bereits zum Ausdruck kommt.
Durch das Gemälde »Das Frühstück im Grünen« von Édouard Manet wurde er zu seinem Thema »Frauen im Bild« inspiriert. Er positionierte Frauen vor bekannten Bildern der Kunstgeschichte in Ausstellungen und fügte sie zu einer Art Fotocollage zusammen. Daneben entstanden weitere Frauenportraits auf der Straße, denen Habermann beim Fotografieren und später in der Dunkelkammer eine gewisse Sinnlichkeit entlockte.
Mit der Veröffentlichung einer Fotografie der Neuen Nationalgalerie 1968 im Tagesspiegel begann für Habermann seine Karriere als Fotograf. In der Serie spielt er mit der Konstruktion des Gebäudes und nutzt dabei das Sonnenlicht für Spiegelungen und scherenschnittartige Kompositionen aus. Dabei entstanden scharf umrissene Silhouetten von Skulpturen und Ausstellungsbesuchern, die er mit dem Gebäude und der Kunst in Verbindung bringt.
In den Stadtansichten fand Habermanns geschultes Auge intuitiv den richtigen Bildausschnitt. Seine Bilder sind durchzogen von horizontalen und vertikalen Linien. In seinem Heimatbezirk Wilmersdorf fand er die Motive für sein sachliches fotografisches Denken. Er bevorzugte Kontraste, wechselt in seinen Motiven zwischen hart und weich. Seine Motive sind dabei immer von Menschenhand erschaffene Konstruktionen, Werke, aus denen er neue Kompositionen entstehen lässt.
In seinen Wasseransichten löst er sein sonst so konstruktives Bilddenken fast auf. In den Spiegelungen von Gebäuden, Mauerresten und Brücken im Wasser werden die Konstruktionen verflüssigt und malerisch bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst.
Stillleben, 1991 | © Efraim Habermann
Seine fotografischen Stillleben entstanden in einem Moment der Zurückgezogenheit. Es sind minimalistische Kompositionen, die mit viel Inhalt aufgeladen sind.
Daneben zeigt die Galerie eine Auswahl von klar strukturierten und komponierten Aquarelle. Die Farbe behielt er seiner Malerei vor, denn nur da war es ihm möglich, die Farbe zu kontrollieren.
Einführung und Texte von Benjamin Ochse
Vernissage
Sonntag 17. Juni 2018, 12 Uhr
Ausstellung vom 17. Juni bis 12. August 2018
Kommunale Galerie Berlin
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin